Sinéad O’Connor

Ich habe zwei neue Tattoos bekommen. In diesem Fall sind sie ein bisschen ungewöhnlich. Diese Geschichten möchte ich Euch gerne erzählen. Hier ist Teil 2: Sinéad O’Connor

Wenn man mich früher gefragt hat, wie meine Traumfrau wäre, habe ich immer gesagt: Ich heirate Sinéad O’Connor!

Auch hier habe ich zuerst nicht verstanden, warum ich mich mit ihr so verbunden fühle, genauso wie bei Michael Jackson. Mittlerweile weiß ich aber, dass sich eine Verbundenheit entwickelt, auch ohne viel Informationen. Es scheint eine Art des Fühlens zu sein, die man nicht so einfach erklären kann.

Durch den Song “Fire On Babylon” habe ich erfahren, dass sie unter der Beziehung zu ihrer Mutter sehr gelitten hat. Damals gab es noch kein Internet, man konnte nicht einfach mal nachlesen. Aber im Laufe der Zeit wurde das ja möglich und so begann ich zu recherchieren. Es wurde für mich deutlich, dass sie psychisch sehr gelitten hat und offensichtlich ihre Traumata nie überwinden konnte. Seit dem ich mich selbst mit dieser Thematik befasse und aus eigener Erfahrung weiß, wie schwer es ist ist, diese Dinge zu bewältigen, wuchs mein inneres Bündnis zu Sinéad O’Connor.

Natürlich war auch der Haarschnitt für mich immer eine Verbindung zu ihr, und ich habe mich oft gefragt, warum ich so angefeindet werde und eine Frau, die berühmt ist, hat diese Probleme nicht. Mein Haarschnitt ist schon ein Thema, seit dem ich 17 Jahre alt bin. Leider, denn eigentlich ist das doch gar nicht der Rede wert, oder? Stimmt aber nicht. Damit passe ich nicht in die Gesellschaft und das wurde mir mehr als zu oft mitgeteilt. Ich kann immer noch nicht verstehen, warum Menschen einem ungefragt ihre negativen Bewertungen auf’s Auge drücken müssen, obwohl das gerade echt keiner hören will. Noch viel weniger kann ich verstehen, dass wegen eines Haarschnittes Menschen komplett abgewertet werden. Ich meine das wörtlich. Ich wurde deswegen wirklich mit den verbalen Füßen getreten, nicht nur von meiner Un-Familie, sondern auch von völlig fremden Leuten. Ich habe mich nicht entmutigen lassen, u. A. auch weil ich Sinéad O’Connor im Sinn hatte, die das auch weiterhin so tut und die mit dieser Frisur älter geworden ist. Dieser Haarschnitt ist ein Teil von mir, mit langen Haaren bin das nicht mehr ich selbst.

Nun ist sie dieses Jahr im Sommer verstorben und ich bin wirklich ganz traurig darüber. Auch wenn es nicht offiziell so benannt wurde, gehe ich davon aus, dass sie sich das Leben genommen hat. Ich bedauere das sehr, denn es zeigt mir, dass auch sie es nicht geschafft hat, mit ihrer psychischen Erkrankung zu leben. Wenn so etwas passiert, bin ich immer wieder sehr dankbar dafür, dass ich das Glück habe, mit meiner K-PTBS ein zufriedenes Leben zu führen. Klar ist es kein normales Leben, mich unterscheidet meine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der nicht vorhandenen Belastbarkeit davon. Mehr allerdings auch nicht mehr.

Anlässlich des plötzlichen Todes von Sinéad O’Connor wurde ein Dokumentarfilm gezeigt, der erst wenige Wochen vorher gedreht wurde. Den habe ich mir natürlich direkt angesehen. Es ist ein wirklich sehr guter Film, denn sie selbst und auch Freunde von ihr kommen hier zu Wort. Er ist nicht so reißerisch, sondern beschreibt einfach, wie das Leben so war und wie sie die Dinge erlebt hat. Und genau das war es, was mich immer interessiert hat. Im Film bekam ich Dinge zu sehen, die mich zutiefst getroffen und bewegt haben. Wie klar und nüchtern die traumatische Geschichte hier geschildert wurde, war schon ergreifend. Als die Parallelen zu mir dann aber auftauchten, hat es mich echt vom Stuhl gehauen.

Auch wenn ich schon viel gesehen und erlebt habe, gibt es immer noch Momente, in denen Menschen mit ihrem Charakter meine Vorstellungskraft bei Weitem übersteigen. Damit meine ich nicht nur Sinéad O’Connor im Positiven, wie sie eine klare Haltung gezeigt hat, obwohl klar war, dass es ihre Karriere riunieren würde, sondern insbesondere diese Un-Menschen, die sie dafür bestraft haben, dass sie als Opfer von jahrelanger sexuellen Gewalt durch die Kirche begonnen hat, das Schweigen zu brechen und sich dagegen gewehrt hat. Vermutlich kennt jeder diesen Moment, als sie das Lied “War” gesunden hat, und dann unmittelbar danach das Bild von Papst Johannes Paul II zerrissen hat, begleitet von den Worten: “Fight the REAL enemy!” Danach hat tatsächlich eine Frau (!) im Fernsehen gesagt, dass in ihrem Fall der jahrelange sexuelle Missbrauch durch die Kirche gerechtfertigt war. Ein Moderator einer amerikanischen Show lud sie ein, um sie öffentlich fertig zu machen, wegen ihrer Frisur.

Nicht nur die Frisur und die Beschimpfungen deswegen habe ich mit ihr gemeinsam. Diese Textstelle aus “Fire On Banylon” kann ich für meine Lebensgeschichte und meine Un-Mutter vollkommen übernehmen: “She’s taken everything I liked. She’s taken every lover. And all along she gave me lies, just to make me think I loved her. Fire on babylon, oh yes, a change has come.”

Meine rechte Handinnenfläche:

Ich habe durch diese Dokumentation nicht nur erkannt, dass es Parallelen gibt, sondern auch, was für eine starke Kämpferin sie war. Für mich ein echtes Vorbild.

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