Michael Jackson

Ich habe zwei neue Tattoos bekommen. In diesem Fall sind sie ein bisschen ungewöhnlich. Diese Geschichten möchte ich Euch gerne erzählen. Hier ist Teil 1: Michael Jackson

Ich bin, fast seitdem ich denken kann, ein großer Fan von Michael Jackson. Das habe ich viele Jahre niemandem erzählt, weil ich einfach extrem viele Abwertungen deswegen zu hören bekam. Dabei ging es nicht mal unbedingt nur um eine kritische Sicht auf die Missbrauchsvorwürfe, wofür ich noch Verständnis gehabt hätte, sondern eher um so einen Unsinn wie die Verurteilung des Tanzstils, die helle Haut, oder auch um den Gesangsstil. Versteht mich bitte nicht falsch. Natürlich muss niemand meinen Geschmack teilen und jeder darf das, was ich mag, blöd finden. Aber jeder darf das auch gerne für sich behalten und es mir nicht ungefragt um die Ohren hauen. Ich würde auch nie auf die Idee kommen, jemanden anzusprechen, weil ich irgendetwas an ihm nicht gut finde. Das empfinde ich als total übergriffig. Ich hatte einfach keine Lust mehr, mir ständig diese Abwertungen anzuhören, die ich auch sehr verletzend fand. Ich hatte ebensowenig Lust, mir auf diese Weise mitteilen zu lassen, wie schlecht doch mein Geschmack sei. Seit wann können Geschmäcker schlecht sein? Was für ein Quatsch!

Während ich bei Frau Werner in der Therapie war, habe ich mit ihr darüber gesprochen. Für sie war es absolut nicht verwunderlich, dass ich mich mit ihm sehr verbunden fühle. Sie sagte dazu nur, dass es für sie deshalb so klar ist, weil wir ganz spezielle Parallelen haben. Ja, für mich war es zunächst die verlorene Kindheit, die mir da ganz bewusst in den Sinn kam. Das war aber zu oberflächlich, denn es gibt viele bekannte Musiker, deren Kindheit total daneben gelaufen ist. Seit damals klingt der Satz von Frau Werner noch nach, denn sie hat alles immer etwas tiefer betrachtet und verstanden. Dann kam mir eines Abends ein Gedanke dazu in den Sinn: Er hatte nicht nur seine Kindheit verloren, sondern war auch in einer Entwicklung stecken geblieben. Das geht mir auch so. Der Popmusiker, der es geschafft hat Millionen Menschen zu begeistern, der es geschafft hat, sich vor 100.000 Menschen auf die Bühne zu stellen und zu singen, war gleichzeitig mit einer kindlichen Naivität gesegnet, die die Menschen nicht verstanden und somit auch nicht geschätzt haben. Wie schade schade schade. Ich bedauere das zutiefst!

Ich bin davon überzeugt, dass diese kindliche Naivität zu Handlungen geführt hat, die unter Kinden völlig in Ordnung sind, die einem erwachsenen Mann aber zum Verhängnis werden. Niemand glaubt an diese Naivität bei erwachsenen Menschen. Vielleicht gibt es auch Täter, die diese Haltung vortäuschen wollen, um einer Strafe zu entkommen. Aber letztlich ist es so, dass ich es bei Michael Jackson wirklich glaube, weil es richtig gut zum Gesamtbild passt. Er hat seine Handlungen nicht damit begründet, sondern er hat auf die Vorwürfe genauso naiv reagiert, aus der selben Perspektive. Ich glaube, dass er bis zu seinem Tod nicht verstanden hat, was da genau schief gelaufen ist und welchen Part er daran hat.

Und genau das ist die Parallele. Ich kenne einfache Handlungen, die aus meiner Naivität heraus entstanden sind und ausschließlich eine positive Motivation beinhalteten. Ich kenne es auch, dass man mir nicht geglaubt hat und dass ich in einer ganz massiv übergriffigen Art und Weise bestraft wurde, worunter ich sehr zu leiden hatte. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man plötzlich da steht und einem das Entsetzen ins Gesicht geschrieben steht, das man hat, wenn man ein Kind ist, obwohl man vielleicht schon 20, 30, 40 oder fast 50 Jahre alt ist. Ich weiß, wie es ist, wenn man Vorwürfe bekommt, die man vorher nicht mal in den schlimmsten Phantasien hatte, weil das den eigenen inneren Rahmen, die eigene Vorstellungskraft gesprengt hätte. Das ist etwas, was sich wie ein roter Faden durch mein Leben gezogen hat. Und auch jetzt, wenn ich darüber schreibe, dann ist mir vollkommen klar, was mich so sehr an Michael Jackson bindet. Es ist diese erlebte Ungerechtigkeit.

Ich war vor ein paar Jahren wirklich entsetzt, als ich bemerkte, dass ich schon seit deutlich mehr als 10 Jahren keine Musik mehr von Michael Jackson gehört habe. Ich hatte mir das echt abgewöhnt. Seit diesem Tag läuft seine Musik hier wieder regelmäßig. Nun befinde ich mich auch seit einigen Jahren in einer Phase, in der ich mir nicht mehr alles sagen lasse und in der ich keine Abwertungen mehr akzeptiere. Deshalb habe ich mich vor Kurzem dazu entschieden, meinen Mitmenschen zu erzählen, dass ich Fan bin und wie ich zu all dem stehe.

Nun bin ich noch einen Schritt weiter gegangen. Ich habe mir sein Autogramm tätowieren lassen.

Es befindet sich in meiner linken Handinnenfläche. Ich sehe es jeden Tag und jedes Mal, wenn ich es sehe, freue ich mich sehr darüber. Es war, genau wie das Tattoo von Sinéad O’Connor, das schmerzhafteste, das ich mir je habe stechen lassen. Aber das war es mir wert!

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