Den geschützten Rahmen verlassen

Normalerweise habe ich ausschließlich Kontakt zu Menschen, die auch in irgendeiner Form psychisch belastet sind. Die meisten meiner Beziehungen entstehen in den Gruppen, wo ich auf  Verständnis stoße. Als ich 2007 hier her gezogen bin, war das ganz anders. Damals hatte ich fast keine Kontakte und ich habe versucht mit den “normalen” Menschen gut zurecht zu kommen. Allerdings bin ich immer wieder auf äußerst unangenehme Reaktionen gestoßen, wenn ich irgendetwas nicht mitmachen konnte oder wollte. Zu der damaligen Zeit war mein Tagesablauf auch noch ganz anders, als heute. Ich war nicht so aktiv wie jetzt, weil ich das aufgrund der Depressionen und der Ängste gar nicht geschafft habe.

Ich habe mich mit meinen Bemühungen und dem ständigen Scheitern sehr gequält. Irgendwann habe ich dann den Entschluss gefasst, dass ich mich nur noch mit Menschen umgeben möchte, die auch betroffen sind. Es war eine Art Resignation, die sich auch wieder wie Scheitern anfühlte. Aber zu dieser Zeit ging es nicht anders. Ich habe erst sehr spät andere Menschen kennen gelernt, die auch eine (K)PTBS haben. Ich habe einige Gruppen besucht und mit diesen Gruppen kam deutlich mehr Aktivität in meinen Alltag, der für mich dann auch gut zu meistern war. Es gibt für mich nichts Besseres gegen Depressionen, als soziale Kontakte und das Sonnenlicht. So viel draußen zu sein tat mir sehr gut.

Nun sind seit dem mehr als 10 Jahre vergangen und ich habe mir in meinen letzten Therapiejahren seit 2016 viel inneres Wachstum und eine gute Weiterentwicklung erarbeitet. Da könnte ich doch auf die Idee kommen, mich mal wieder in die Welt zu trauen und dabei den geschützten Rahmen zu verlassen. Mal einen Schritt in Richtung “Normalität” wagen. Das habe ich nun ganz aktuell versucht und bin da irgendwie so reingerutscht.

Durch den Beitritt zum Förderverin Christoph 7 und die Ankündigung, dass wir aktiv mitarbeiten wollen, sind wir dann zum ersten Arbeitseinsatz gekommen. Ich hatte beim Beitritt irgendwie nur dieses Interesse am Fliegen und der Luftrettung im Sinn und auch im Herzen, so dass es für mich ganz klar war, dass ich da auch aktiv sein möchte. Dass das aber ein Schritt aus dem geschützen Rahmen ist, in dem ich mich nun über Jahre befand, habe ich erst letzte Woche bemerkt.

Jemand in der WhatsApp-Gruppe hat einen Scherz gemacht, der mich leider doch in Angst versetzt hat. Je näher nun dieser erste Einsatz rückte, um so mehr Angst bekam ich und umso bewusster wurde mir der Schritt, den ich machte. Ich muss ganz ehrlich gestehen, ich war kurz davor zu kneifen. Aber dann hätte ich wieder dieses Scheitern erlebt und wieder diese Hoffnungslosigkeit, und das wollte ich nicht. Zumindest sollte es nicht durch mich verursacht sein. Wenn scheitern, dann weil andere Leute sich unfair oder einfach blöd verhalten, und nicht, weil ich es wieder nicht schaffe.

So bin ich nun also mit Dirk hingefahren. Wir hatten einige Absprachen, wie zum Beipsiel die Bemühung, dass wir uns zumeist im selben Raum aufhalten. Ich hätte auch jeden Moment abbrechen können und wir wären heim gefahren. Ich hatte mir schon eine gute Ausrede überlegt, die dann vielleicht doch noch einen zweiten Versuch zugelassen hätte.

Ich weiß nicht, ob die Anderen gemerkt haben, wie unsicher und ängstlich ich bin, sie haben sich auf jeden Fall sehr gut um mich gekümmert. Sie waren bemüht um mich, waren sehr herzlich und haben mit mir Gespräche begonnen. Das war eine wirklich schöne und auch sehr wichtige Erfahrung. Ich habe darüber gesprochen, dass ich ängstlich bin und bei 2 Leuten habe ich auch erwähnt, dass ich Traumapatientin bin. Aber mehr musste ich da nicht sagen. Wollte ich auch nicht, denn ich möchte einfach nur Akzeptanz, wenn ich etwas nicht machen kann und möchte. Ich möchte diese Samthandschuhe nicht, denn dann wäre ich ja wieder im geschützten Rahmen und wieder weit von der Normalität entfernt.

Mir wurde schon vor einigen Jahren der Rat gegeben, dass ich mich aus diesem Rahmen hinausbewegen soll, aber es war definitiv zu früh. Es nützt mir nämlich gar nichts, wenn ich ein normales Leben anstrebe und versuche es umzusetzen, obwohl ich dazu noch gar nicht in der Lage bin. Aber nun entwickle ich mich in diese Richtung und bin den ersten Schritt gegangen. Damit bin ich jetzt erst einmal zufrieden und möchte einen Schritt nach dem anderen gehen, in meiner Geschwindigkeit. Ich freue mich über diesen kleinen Erfolg.

 

 

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